Agnes Primocic

„Die Frauen warn überhaupt viel fortschrittlicher als die Männer, das muß man sagen. Wir waren viel kämpferischer als alle anderen Betriebe, wo nur Männer gewesen sind.“

Agnes Reinthaler (später Primocic) wurde in Hallein als drittes von sechs Kindern einer Arbeiter*innenfamilie geboren. Als Kleinkind wurde sie zu einem „Kostplatz“ bei einem Bauern „ausgestiftet“. Sie arbeitete schon als Jugendliche in der Halleiner Tabakfabrik, wo sie ihr „soziales Empfinden“ bzw. ihr politisches Bewusstsein entwickelte, als Sozialdemokratin wurde sie Betriebsrätin.

Während der austrofaschistischen Diktatur schloss sie sich der 1933 verbotenen KPÖ an. Im Zuge der Februarkämpfe 1934 versuchte Agnes Primocic zusammen mit anderen widerständigen Frauen vergeblich einen Streik in Hallein durchzusetzen. Bei einer Hausdurchsuchung wurde Material gefunden, dass sie von einer Reise in die Sowjetunion mitgebracht hatte. Sie wurde zu einer mehrwöchigen Haftstrafe verurteilt, verlor deswegen ihre Arbeit und schlug sich fortan als Schneiderin durch. 1935 folgte wegen ihrer politischen Aktivitäten eine weitere Haftstrafe.

Anges Primocic in einer Rot-Kreuz-Uniform. Fotocredit: Privatarchiv Enkelsohn von Primocic

Nach dem „Anschluss“ konnte Agnes Primocic wieder in der Tabakfabrik arbeiten, allerdings wurde nach Beginn des Zweiten Weltkriegs daraus ein Rüstungsbetrieb und Primocic erneut entlassen. Die Mutter dreier Kinder engagierte sich für die Rote Hilfe, eine im Untergrund agierende Hilfsorganisation für politisch verfolgte Familien. Sie wurde während der NS-Herrschaft wegen ihres politischen Engagements erneut verhaftet, verhört und geschlagen.

Dennoch engagierte sie sich nach ihrer Freilassung weiterhin gegen das NS-Unrechtsregime. Ihr Bruder Franz war als Spanienkämpfer im KZ Dachau gelandet. Er gab anderen österreichischen Inhaftierten, die ins KZ-Außenkommando Hallein verlegt wurden, ihren Namen. Im Sommer 1943 verhalfen Agnes Primocic und andere einem der Insassen, dem Kommunisten und Widerstandskämpfer Sepp Plieseis, zur erfolgreichen Flucht aus dem Lager, indem sie Lebensmittel, Zivilkleider, eine Waffe und eine Landkarte für ihn organisierten. Ein Jahr später gelang es zwei weiteren Gefangenen, Alfred Hammerl und Leo Jansa mit Unterstützung von Agnes Primocic und anderen aus dem Lager zu entkommen. Zu dieser Zeit wurde sie abermals für vier Wochen, dieses Mal präventiv, in Haft genommen.

Sie blieb trotzdem weiterhin Fluchthelferin, besorgte Kleidung und Waffen. Dazu meinte sie: „Ja, Angst, wer hätte net Angst, wenn er sowas tut. Angst hab ich schon gehabt, ich hab ja an meine Kinder denken müssen. Aber wie kannst denn nein sagen, wenn dich jemand bitt‘, du sollst ihm‘s Leben retten?“

Kurz vor Kriegsende gelang es ihr in einer mutigen Intervention, dass die Häftlinge des KZ- Außenkommandos Hallein seitens der Lagerleitung geschont wurden. Im April 1945 konnte Primocic mit einer List, 17 Gefangene, die erschossen werden sollten, aus dem Lager befreien. In einer Rotkreuzuniform suchte sie den Kommandanten des Lagers auf, um ihn zur Freilassung der Häftlinge zu bewegen.

Nach Kriegsende wurde sie 1945-47 für die KPÖ Gemeinderätin in Hallein, danach arbeitete sie erneut als Schneiderin. Bereits kurz nach der Befreiung erreichte sie mit anderen Antifaschist*innen, dass in Hallein drei Plätzte nach Opfern des NS-Regimes benannt wurden:

  • Edmund-Molnar-Platz: Benannt nach Edmund Molnar, der 1944 mit nur 21 Jahren wegen antinationalsozialistischer Äußerungen hingerichtet wurde.
  • Josefine-Lindorfer-Platz: Benannt nach Josefine Lindorfer, die 1942 wegen einer Kleinstspende an die Rote Hilfe in das KZ Auschwitz deportiert wurde.  Im selben Jahr verstarb sie dort angeblich an einer Lungenentzündung.
  • Hans-Pramer-Platz: Benannt nach Hans Pramer, der wegen antinationalsozialistischer Gesinnung und Betätigung 1942 verhaftet und 1943 hingerichtet wurde.
Fotocredit: Privatarchiv Enkelsohn von Agnes Primocic

Zeitlebens blieb sie überzeugte Marxistin und aktive Zeitzeugin mit dem Ziel – wie sie es selbst formulierte – ein lebenswertes Dasein für alle zu erreichen. Die Historikerin Ingrid Bauer charakterisiert Agnes Primocic treffend als eine „überaus couragiert[e], entschlossen[e] Frau voller klarem und wachem Widerstandsgeist, der nicht stillhalten ließ, wenn in ihrer nahen Umgebung Unrecht geschah“.