Saalfelden
Artur (1904 – 1942) und Sara (1904 – 1956) Kant
Artur Kant wurde am 17. Juli 1904 als Sohn von Regina und Jacob Kant, einem Schneidermeister aus Tarnow, geboren. Bevor Artur Kant nach Saalfelden zog, lebte er mit seiner Familie ab 1908 in Wien.
Seine Ehefrau Sara Kant, geboren unter dem Namen Lea Spierer, kam 1905 zur Welt und hatte zwei Geschwister, Marianne und Wolf. 1913 zog Lea/Saras Familie dann nach Villach. Dort wechselte die Familie aber nach kurzer Zeit wieder die Wohnung, was darauf hindeutet, dass die Familie schwer Fuß fassen konnte. Ihre Eltern konnten ihr und ihren Geschwistern eine längere Schulausbildung finanzieren, da sie durch die Eröffnung eines Manufakturgeschäftes eine gewisse finanzielle Stabilität aufwiesen. 1933 heiratete Sara dann Artur Kant. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits beruflich in Saalfelden tätig.
Ehepaar versuchte Geschäft zu verkaufen
Nach der Hochzeit führten sie das Manufaktur- und Modewarengeschäft in der Loferer Straße 9 in Saalfelden dann gemeinsam. Eine ihrer Angestellten war Herta Briglauer, die nach ihrer Hochzeit den Namen Herta Hruby annahm.
Bereits im Mai 1938 versuchten Artur und Sara Kant, das Geschäft an Herta Briglauer zu verkaufen oder sie als Geschäftsführerin einzusetzen, doch die nationalsozialistischen Behörden lehnten diesen Antrag ab. Stattdessen setzte der Gauwirtschaftsberater den Lodenfabrikanten Georg Höttl am 6. Oktober 1938 als kommissarischen Verwalter ein.
Ihr Geschäft wurde unter SA-Bewachung gestellt und loyale Kunden wurden mit einem Schild mit der Aufschrift „Dieses Schwein kauft bei Juden ein!“ durch die Stadt gehetzt.
Verbot Geschäft zu betreten
Das Geschäft wurde mit einem Warenlager im Wert von rund 12.000 RM, einer Geschäftseinrichtung im Wert von 1.500 RM und einem Kassenbestand von 9.000 RM bewertet, wobei letzterer sofort von Georg Höttl beschlagnahmt wurde. Auf Anfrage bewilligte der „Staatskommissar in der Privatwirtschaft“ Artur und Sara Kant am 24. Oktober 1938 einen monatlichen Unterhalt von bis zu 300 RM sowie 4.000 RM als Ausreisehilfe. In einem offiziellen Schreiben wurde der Umgang mit den jüdischen Geschäftsinhaber*innen drastisch formuliert: „Sollte der Jude im Geschäft hinderlich sein, dann entfernen Sie ihn ganz einfach“.
Im Zuge des Novemberpogroms wurde Artur Kant am 14. November 1938 als „Schutzhäftling“ ins Konzentrationslager Dachau deportiert. Am 13. Jänner 1939 wurde er allerdings wieder entlassen. Sara Kant wurde ab November 1938 verboten, das Geschäft wieder zu betreten. Obwohl ein Kaufvertrag mit Herta Briglauer vorlag, wurde das Geschäft nach einem Antrag auf „Arisierung“ bei der Vermögensverkehrsstelle zwangsweise an Hans Aschböck, den Neffen von Georg Höttl, übertragen und am 1. Februar 1939 unter seiner Leitung wiedereröffnet.
Flucht nach Palästina
Artur Kant konnte noch im Jahr 1939 aus dem nationalsozialistischen Herrschaftsgebiet entkommen. Noch vor ihrer eigenen Flucht schreibt Sara Kant an Herta Hruby, dass sie von ihrem Ehemann einen Brief bekommen habe, in dem er berichtet, dass er bei Saras Schwester in Palästina angekommen sei. Auch Sara gelang 1939 von Wien aus die Flucht nach Palästina, nachdem sie sich das Geld für die Ausreise von einer Bekannten geliehen hatte.
In Haifa arbeitete Artur Kant als Schuhmacher. Während des Zweiten Weltkriegs trat er der britischen Armee bei und diente in der 606th Cavalry Company, mit Einsätzen in Ägypten und Zypern. Am 31. August 1942 fiel Artur Kant im Einsatz und wurde auf dem britischen Militärfriedhof in Tel el-Kebir beigesetzt. Sein Name ist im „Book of Volunteerism“, im „Yizkor Book“ des Jabotinsky-Instituts und im „Journalists’ Book of the Year“ verzeichnet.
Entschädigung abgelehnt
Nach Arturs Tod heiratete Sara Kant Felix Wassermann und nahm dessen Nachnamen an. In der Nachkriegszeit stellte Sara Wassermann einen Rückerstattungsantrag im Zusammenhang mit der Enteignung ihres Geschäfts in Saalfelden. Sie gab an, insgesamt 5.060 Reichsmark erhalten zu haben – davon 4.000 RM als genehmigte Ausreiseunterstützung, die ihr bereits vor der Flucht nach Palästina ausgehändigt worden war. Auch bleibt ungewiss, was mit dem Perserteppich, der Uhr, der Kette, den Ringen, dem Armband und dem Silberbesteck geschehen war, die Artur und Sara Kant laut ihrer „Vermögensanmeldung“ besaßen.
Sara Wassermanns Antrag auf weitergehende Entschädigung wurde jedoch im Jahr 1948 durch die Rückstellungskommission abgelehnt – zugunsten von Georg Höttl, dem ehemaligen kommissarischen Verwalter ihres Geschäfts. Der ursprünglich im Jahr 1938 beabsichtigte Verkauf des Geschäfts an Herta Hruby wurde nach dem Krieg offiziell nachgeholt: Im Mai 1946 erhielt sie die behördliche Genehmigung zur Übernahme des vormals jüdischen Geschäfts.
Herta Hruby übernahm Geschäft
Hruby und Sara Wassermann blieben über Jahre hinweg in freundschaftlichem Kontakt. Zwischen 1946 und 1956 schickte sie ihr regelmäßig Briefmarken im Gesamtwert von 30.000 bis 35.000 Schilling nach Israel als Entschädigung.
Sara Wassermann verstarb im Alter von 51 Jahren plötzlich 1956 in Haifa. Weder sie noch ihr Ehemann Artur erhielten jemals eine gerechte Entschädigung für die gewaltsame „Arisierung“ und Enteignung ihres Geschäfts. Saras Schwester, Marianne Scharfberg, hielt weiterhin Kontakt zu Herta Hruby.
Autor*innen: Miriam Geisler, Elena Haas, Janis Fröhling
Quellen und Literatur:
National Archives and Records Administration (NARA), Zugangsbuch Nr. 105 / 24446: KZ Dachau-Eintrag Kant, Artur, geboren 17. Juli 1904 in Wien, Inhaftierung 14.11.1938–13.01.1939.
Maria Ecker, „Sollte der Jude im Geschäft hinderlich sein, dann entfernen sie ihn ganz einfach“. „Arisierung“ und Restitution in Saalfelden, online unter.
Werner Koroschitz / Alexandra Schmidt / Verein Erinnern Villach, Im besten Einvernehmen. Antisemitismus und NS-Judenpolitik im Bezirk Villach, Villach 2014.
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