Sankt Johann im Pongau

Karl Reinthaler

„Ich bin einmal durch eine Wiese gegangen und hab diese Gedankengänge gewälzt und habe mich entschlossen, nicht mitzutun, sondern zu versuchen, abseits zu stehen. [...]Und das hat sich als Irrtum herausgestellt, denn man hat mittun müssen oder dagegensein müssen. Und wer nicht mitgetan hat war automatisch zum Gegner gestempelt .“

Karl Reinthaler (1913-2000) war Antifaschist, Sozialdemokrat, NS-Opfer, Landtagsabgeordneter und Bürgermeister von Saalfelden.

Reinthaler kam schon in der Schulzeit mit den Sozialdemokraten in Berührung, trat den Roten Falken und der Sozialistischen Arbeiterjugend bei. Im Alter von 14 Jahren begann bei der Eisenbahn eine Lehre als Schlosser. Doch nach dem Lehrabschluss gab es für ihn keine Arbeit, er war drei Jahre arbeitslos, aber nicht untätig. Er absolvierte die Werkmeisterschule „Arsenal“ für Maschinenbau und Elektrotechnik in Wien. Bis zum Verbot der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei war er zudem als Erzieher für die Kinderfreunde tätig. 

Obwohl ein „Roter“ war, wurde Reinthaler in der austrofaschistischen Zeit 1934 in den Bahnbetrieb aufgenommen, arbeitete zunächst in der Hauptwerkstatt in St. Pölten. Seine Ausbildung zum Wagenmeister absolvierte er am Güterbahnhof Gnigl und am Hauptbahnhof Salzburg, bis er nach Saalfelden versetzt wurde. 1939 bestand er die Prüfung zum Lokführer, ein zentraler Schritt, der seine Mobilität entlang der Bahnstrecken ermöglichte. Als Lokführer konnte Karl Reinthaler in der Schweiz Zeitungen besorgen, die er mitnahm und unter Kollegen, denen er vertraute, verteilte.

Der Wagenmeister und Lokführer wurde von der Wirtin des Bahnhofsrestaurants denunziert und 1942 von der Gestapo verhaftet. Zum Verhängnis wurde ihm, dass er für die „Rote Hilfe“ gespendet hatte, einer illegalen Organisation, die Geld zur Unterstützung von Familien sammelte, deren Familienmitglieder wegen politischer, vor allem kommunistischer Tätigkeit inhaftiert worden waren. Nach der Verurteilung wurde Karl Reinthaler im Zuchthaus Amberg in der Mittleren Oberpfalz inhaftiert, ein „Vergeltungslager“ für politisch Inhaftierte, in dem er zur Zwangsarbeit gezwungen wurde. Dass er als Werkzeugmacher schließlich bei einer Zweigniederlassung der Firma Zeiss arbeiten konnte, rettete ihm das Leben, meinte er später.

Theresia Buder vor dem Dom. Fotocredit: Privatarchiv Buder

Nach der Niederlage des Nationalsozialismus kam Reinthaler frei und fand wieder Anstellung bei der Bahn. Nach der Befreiung zog der Eisenbahner für die SPÖ als Abgeordneter in den Landtag ein. Den „Traum“ von einer Familie realisierte er rasch: Er heiratete im Oktober 1946, ein Jahr später wurde Tochter Eva geboren, 1956 Tochter Christa. 1960 ging der Lokführer aus gesundheitlichen Gründen in Pension. Er blieb lokalpolitisch engagiert, wurde 1966 Vizebürgermeister von Saalfelden und 1972, als die SPÖ die absolute Mehrheit errang, Bürgermeister. Aus gesundheitlichen Gründen trat Reinthaler bei der Gemeinderatswahl 1979 nicht mehr an.

Karl Reinthaler sprach offensichtlich lange Zeit nicht öffentlich über seine Verfolgung zur NS-Zeit. Es waren Jahrzehnte des Schweigens. Die ehemals Verfolgten trafen sich im Park, um sich miteinander auszutauschen. Erst als die österreichische Lebenslüge vom „Ersten Opfer Hitler-Deutschlands“ Mitte der 1980er Jahre zerbrach, begannen einige der ehemals Verfolgten öffentlich Stellung zu nehmen. Ab 1988 engagierte sich Karl Reinthaler als Zeitzeuge an österreichischen Schulen und trat bei Veranstaltungen öffentlich auf. Die Mauer des Schweigens war damit durchbrochen. 

Wenn vom antifaschistischen Widerstand der Eisenbahner gesprochen wird, sollte nicht außer Acht gelassen werden, wie sehr diese Berufsgruppe eigentlich für den Systemerhalt des NS-Regimes beitrug. Umso bemerkenswerter ist es daher, dass einzelne Eisenbahner den Mut hatten, Widerstand zu leisten.

Worum ging es im Fall von Reinthaler beim Dagegensein konkret? Ein Beispiel dafür ist das verbotene „Schwarzhören“, also Radiosendungen aus dem als feindlich geltenden Ausland anzuhören. Aber das war nicht unbedingt widerständig an sich, wie Karl Reinthaler beschreibt. Er wohnte eine Zeit lang bei der Familie Scherleitner, dort habe er mit Josef und seinem Bruder Hans, einem SS-Mitglied und einem weiteren Mieter, der bei der SA war, schwarzgehört. Josef Scherleitner hingegen war Sozialdemokrat, war 1934 der verbotenen Kommunistischen Partei beigetreten und baute in der NS-Zeit für die illegale KPÖ die Untergruppe Pinzgau auf. Schwarzhören war aber deswegen gefährlich, da dies oft zu Denunziationen und Verhaftungen führte. In dem Fall hielten aber alle dicht. Sich nicht von der NS-Propaganda vereinnahmen zu lassen, war ein wichtiger Widerstandsakt. 

Dass Reinthaler politisch „abseits“ stand, war bald offensichtlich. Nach dem Überfall von NS-Deutschland auf Polen im September 1939 äußerte er etwa in der Umkleidekabine, er verstehe nicht, warum Polen „Untermenschen“ sein sollen. Immerhin war es der Polenkönig, der dem von den Türken belagerten Wien 1683 zu Hilfe kam. Reinthaler wurde auf Grund einer Denunziation von der Gestapo vorgeladen, und aufgefordert in Zukunft solche Aussagen zu unterlassen. Er wurde nicht verhaftet, galt aber noch mehr als zuvor als verdächtig. Seine Ablehnung gegenüber dem NS-Regime konnte er nicht verbergen.

Reinthaler aß regelmäßig im Bahnhofsrestaurant, das schon in den 1930ern als Lokal für nationalsozialistisch gesinnte Eisenbahner galt. Die Wirtin des Restaurants zeigte ihn bei der Gestapo an. Ihr dürfte unter anderem aufgefallen sein, dass er immer zu essen aufgehört hatte, wenn über das Radio Propaganda ausgestrahlt wurde und er seine Ablehnung gegen das Regime auch darüberhinaus deutlich machte. Reinthaler wurde im Heizhaus 1942 bei er Arbeit verhaftet. 

Die bereits angesprochene Spende an die Rote Hilfe kam so: Reinthaler hatte sich darüber gewundert, dass der Kiosk neben der Nepomuk-Kapelle nach dem „Anschluss“ nicht mehr von derselben Frau betrieben wurde. Auf Nachfrage erfuhr er von einem Arbeitskollegen, dass ihre Söhne als Kommunisten verhaftet worden waren und gezwungen wurde, das Kiosk zu sperren. Als er gefragt wurde, ob er die Frau finanziell unterstützen würde, war das für ihn selbstverständlich. Während andere Verhaftete die Nähe zur Kommunistischen Partei leugneten, gab Reinthaler diese zu.

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