St. Johann im Pongau

Tatiana Lecomte – Was geht zuhause vor

Einen wesentlichen Beitrag zu unserem Forschungs- und Vermittlungsprojekt Orte des Gedenkens gestaltet das Kunstprojekt, mit dem ein anderer Blickwinkel auf die historischen Ereignisse angeboten werden soll. Mit temporären und prozesshaften Gestaltungen sollen Erinnerungen und Erzählungen aufgegriffen, neu geordnet, reaktiviert, angereichert und insgesamt die Erinnerungskultur lebendig gehalten werden.

Ein Jahr lang werden mit den Pongauer Nachrichten monatlich Beilagen versendet, die wie Rezeptkarten zum Sammeln gestaltet sind und mit Theresia und Alois Buder verwebt werden: Auf der Vorderseite sind Gerichte aus Rezeptbüchern oder Heften aus den 1940er Jahren abgebildet, welche von der Künstlerin nachgekocht und fotografiert wurden, auf der Rückseite der Beilagen finden sich jedoch weder Angaben zum Bild noch ein Rezept. Dagegen sind u. a. Auszüge aus dem Interview von Heide Gsell und Albert Lichtblau mit der Witwe von Walter Buder und ihrem Sohn zu lesen. Sie werden im Laufe des Jahres mit Informationen über die widerständigen Tätigkeiten des Ehepaars Buder, von Kaspar Wind und deren Verbindungen zu den Goldegger Deserteuren ergänzt.

Der Titel der Arbeit Was geht zuhause vor ist ein Zitat aus einer Postkarte, die Theresia Buder aus dem KZ Ravensbrück kurz vor ihrem Tod nach St. Johann im Pongau schickte.

Teil des Kunstprojekts von Tatiana Lecomte war die Umbenennung des so genannten kleinen Parks zu „Theresia und Alois Buder-Park“, was allerdings von der Besitzerin des Areals abgelehnt worden war. Die Projektgruppe Orte des Gedenkens hat diese Anregung aufgegriffen und der Gemeinde die Namensgebung der Brücke über die Wagrainer Ache und die Errichtung einer Erinnerungstafel auf gemeindeeigenem Grund schräg gegenüber dem „Gassnerhaus“ vorgeschlagen, als eine im Sinne der Künstlerin angemessene Form der Würdigung mutiger Menschen.

Nach einem einstimmigen Beschluss der Gemeindevertretung werden die Texttafeln in Zusammenarbeit mit der Stadtgemeinde realisiert. Tatiana Lecomte hat im Rahmen ihres Kunstprojekts ausgehend von den ersten Recherchen der Projektgruppe die Anbringung einer Texttafel an der Annakapelle zur Kontextualisierung des Freskos vorgeschlagen. Auch diesen Vorschlag hat die Projektgruppe Orte des Gedenkens aufgegriffen und in Absprache mit dem Bundesdenkmalamt und der Stadtgemeinde umgesetzt.

Tatiana Lecomte, Absolventin der Universität für Angewandte Kunst Wien, beschäftigt sich in ihrer Arbeit seit vielen Jahren mit Erinnerungskulturen, insbesondere mit künstlerischen Methoden der Erinnerungsarbeit in der Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Regime. Ihr Werk umfasst neben Fotografie auch Film und Interventionen im öffentlichen Raum.

Für das Kunstprojekt wurde in Kooperation mit dem Fonds für Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum des Landes Salzburg im Frühjahr 2023 ein Wettbewerb ausgelobt, zu dem fünf Künstler*innen eingeladen wurden. Die Jury unter dem
Vorsitz des Kurators Hannes Sulzenbacher hat sich einstimmig für die Einreichung der Künstlerin Tatiana Lecomte entschieden und hat diese zur Realisierung vorgeschlagen.

Das künstlerische Projekt wird vom Fonds zur  Förderung von Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum Salzburg finanziert.