Beim Vermittlungsprogramm in Neumarkt am Wallersee arbeiten die Schüler*innen die Biografie des widerständigen Georg Rinnerthaler auf
Die Schüler*innen der HAK Neumarkt sind am Mittwoch den 22. Februar 2023 im Rahmen des Projekts Orte des Gedenkens in die Rolle von Historiker*innen geschlüpft. Mit Reproduktionen von historischen Originaldokumenten und Fotografien haben sie die Biografie von Georg Rinnerthaler aufgearbeitet, dem der erste Erinnerungsort für den Widerstand gegen das NS-Regime in Neumarkt am Wallersee gewidmet ist.
Der Fall Georg Rinnerthaler eröffnet viele Anknüpfungspunkte für eine lokalgeschichtliche Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Widerstand im Nationalsozialismus. Wie die Biografie Rinnerthalers zeigt, ging die Initiative zur Verfolgung und Vertreibung politisch Andersdenkender während der NS-Herrschaft oftmals direkt von Menschen im eigenen Ort aus – auch von Nachbar*innen, Bekannten und in diesem Fall sogar Verwandten.
Die Schüler*innen setzen sich in diesem Programm daher mit Fragen zum Thema widerständigen Handeln und den individuellen Handlungsspielräumen in einem diktatorischen Regime wie dem Nationalsozialismus auseinander. Im Bereich der Vermittlung arbeitet Orte des Gedenkens eng mit erinnern.at zusammen, das vom OeAD (Österreichs Agentur für Bildung und Internationalisierung) durchgeführte und in der Abteilung „Bildung und Gesellschaft“ angesiedelte Programm zum Lehren und Lernen über Nationalsozialismus und Holocaust.
Klambauer: „Neue Perspektive auf das Hier und Jetzt“
„Es ist uns ein zentrales Anliegen, die Ergebnisse unserer historischen Recherchen und künstlerischen Auseinandersetzung mit Vermittlungsangeboten zu verknüpfen“, sagt Robert Obermair vom Projektteam Orte des Gedenkens und Salzburg-Koordinator von erinnern.at. „In Neumarkt haben wir dazu mit dem Museum Fronfeste eine kongeniale lokale Partnerinstitution gefunden, mit der wir ein umfangreiches pädagogisches Angebot für Jugendliche und Schüler*innen realisieren konnten.“
Gefördert wird das Projekt vom Land Salzburg. „Jede Zeit hat ihre eigenen Rahmenbedingungen. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit ermöglicht Jugendlichen eine neue Perspektive auf das Hier und Jetzt. Es hilft, Zusammenhänge besser zu verstehen und schärft den Blick auf Entwicklungen und ihre Auswirkungen“, sagt Jugendlandesrätin Andrea Klambauer. „Es gibt das Zitat unbekannten Ursprungs: ‚Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich.‘ Dies bringt auf den Punkt, warum die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus und dem Widerstand einen wichtigen Stellenwert auch für junge Menschen hat.”
Kunstaktion „Einwurf“ von Bernhard Gwiggner
Anschließend an das Programm waren die Schüler*innen noch zur Aktion „Einwurf“ des bildenden Künstlers Bernhard Gwiggner eingeladen, die an Georg Rinnerthaler erinnert. In der Nacht seiner Rückkehr aus dem KZ Dachau nach Neumarkt im März 1939 schlugen örtliche Nationalsozialist*innen 51 Fenster seines Hauses ein. Dieser Gewaltakt wird bei der Kunstaktion erfahrbar gemacht. Die Teilnehmer*innen warfen extra angefertigte Fenster mit Steinen ein. Wobei jeweils einmal die Position der Täter*innen und der Opfer – also einmal vor und hinter der Glasscheibe – eingenommen wurde.
Eine Szene von der Verhaftung Rinnerthalers, überblendet von einem eingeschlagenen Fenster, ist als zentrales Motiv zudem an mehreren Stellen im Ort zu sehen – etwa auf Fahnen vor dem Stadtgemeindeamt und Plakatständern an der Stadteinfahrt. Die eingeschlagenen Fensterscheiben mit einem skizzierten Portrait der Teilnehmer*innen sind in der Rinnerthaler-Passage ausgestellt.
Abschlussveranstaltung am 23. März
Mitte Mai 2022 wurde der erste temporäre Erinnerungsort im Rahmen des Projekts „Orte des Gedenkens“ in Neumarkt mit einer Feier eröffnet. Über ein Jahr verteilt fanden Diskussionsveranstaltungen zum Thema statt, bei denen im Vorfeld weitere Einwurf-Aktionen durchgeführt wurden. Als letzte Veranstaltung in Neumarkt findet am 23. März 2023 ein Diskussionsabend mit ausgewiesenen Expert*innen zum Thema „Widerstand gestern und heute“ im Pfarrsaal Neumarkt. Das Land Salzburg errichtet im Laufe von sechs Jahren in jedem politischen Bezirk Salzburgs einen Gedenkort, der an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus erinnern soll.
Geleitet wird das Projekt von der Arbeitsgemeinschaft „Orte des Gedenkens“, der die Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder und die Historiker Albert Lichtblau und Robert Obermair angehören. Die Arbeitsgemeinschaft arbeitet in Neumarkt am Wallesee eng mit Ingrid Weese-Weydemann vom Museum Fronfeste, der Gemeinde Neumarkt und Bürgermeister Adolf Rieger (ÖVP) zusammen. Die temporären Kunstprojekte werden in Kooperation mit dem „Fonds für Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum“ des Landes Salzburg durchgeführt.
Eröffnung in Hallein im Mai
Am 13. Mai 2023 wird der zweite Gedenkort in Hallein eröffnet, der an die kommunistische Widerstandskämpferin Agnes Primocic erinnern soll. Primocic rettete mit ihrem Mut mehr als 17 KZ-Häftlinge, darunter den späteren Halleiner Polizeichef. Sie engagierte sich für die Rote Hilfe, eine im Untergrund agierende Hilfsorganisation für die Familien von politisch Verfolgten, und saß später auch im Gemeinderat der Stadt Hallein. In Hallein arbeitet das Projektteam eng mit dem Keltenmuseum Hallein sowie der Stadtgemeinde zusammen.
Termine weiterer Veranstaltungen:
Widerstand gestern und heute
Do, 23.03.2023 um 19:00, Pfarrsaal, Kirchstraße 3, Neumarkt
Eröffnung Gedenkort Hallein
Sa, 13.05.2023 um 10:00, Schöndorferplatz Hallein