Ort des Gedenkens in Hallein mit einem Auto für Agnes Primocic eröffnet

Hörspaziergänge führen bei Kathi Hofers Kunstprojekt auf den Wegen der Kommunistin durch ihre Heimatstadt Hallein. Die Stadt wird ein Jahr lang zum Erinnerungsraum an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus.

Bei der Eröffnungsfeier in Hallein ist am Samstag der temporäre Erinnerungsort im Rahmen des Projekts „Orte des Gedenkens“ eröffnet worden. Die Stadt Hallein ist die zweite Gemeinde, die ein Jahr lang an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus erinnert. Im Auftrag des Landes Salzburg errichtet die Arbeitsgemeinschaft „Orte des Gedenkens“ in jedem politischen Bezirk zwischen 2022 und 2027 einen temporären Erinnerungsort an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus.

Rund 165 Interessierte besuchten die Auftaktveranstaltung zu „Orte des Gedenkens“ in Hallein im Kolpinghaus, bei der das Kunstprojekt der Salzburger Künstlerin Kathi Hofer vorgestellt wurde. „Unterwegs mit Agnes Primocic“ nimmt das Leben und die Wege der kommunistischen Widerstandskämpferin in den Fokus und setzt sich mit der Mobilität einer Frau auseinander, die immer in Bewegung war. Die dreifache Mutter Agnes Primocic engagierte sich für die Rote Hilfe und verhalf mehreren Häftlingen aus dem Nebenlager des KZ Dachau in Hallein zur Flucht.  

Ein rotes Auto als mobiles Kunstprojekt

Ein künstlerisch gestaltetes Auto für Agnes Primocic wird als mobile Landmarke auf relevante Orte des Gedenkens hinweisen. “Das Auto transportiert niemanden von A nach B, sondern ist ein Vehikel für Geschichte und Geschichten“, sagt Kathi Hofer. Der rote, mit Informationen versehene Pkw parkt in den kommenden zwölf Monaten an vier Orten, die für die Zeitzeugin relevant waren.

Hörspaziergänge führen auf den Spuren von Primocic durch Hallein. Diese sind abrufbar über einen QR-Code, der am roten Auto angebracht ist. Die ersten beiden Audiowalks, die auf Einladung der Künstlerin vom Halleiner Historiker Wolfgang Wintersteller und der Musikerin Michaela Meise gestaltet wurden, sind bei der Eröffnung vorgestellt worden. Michaela Maise sorgte mit antifaschistischen Liedern und Chansons auch für die musikalische Umrahmung des Festakts. Wolfgang Wintersteller bot seinen Hörspaziergang über den Schöndorferplatz nach der feierlichen Eröffnung im Live-Format an.

Historische Forschung

Geleitet wird das Erinnerungsprojekt von der Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder und den Historikern Albert Lichtblau und Robert Obermair. Die Arbeitsgemeinschaft „Orte des Gedenkens“ arbeitet eng mit dem Keltenmuseum und der Stadt Hallein zusammen. Am Beginn der Auseinandersetzung mit dem Thema Widerstand in Hallein stand die historische Aufarbeitung der Biografie von Agnes Primocic, die auch in einer Broschüre nachzulesen ist. „Für unsere Forschungen sind wir den Familienangehörigen sehr dankbar. Sie haben uns mit Fotomaterial und Dokumenten versorgt, die wir in der Broschüre abbilden konnten“, sagt der Historiker Albert Lichtblau.

Nach der Eröffnung werden ein Jahr lang Diskussionsabende, Vorträge und Workshops in Hallein in Zusammenarbeit mit dem Keltenmuseum veranstaltet. Inhaltlich befassen sich die Veranstaltungen entlang der Biografie von Agnes Primocic, mit autoritären und totalitären Systemen, mit Widerstand und Zivilcourage.

„Es ist wichtig, dass in Salzburg die Orte des Widerstandes sichtbar gemacht werden. Diesmal passiert das in Hallein“, sagte Landesrätin Martina Berthold (Grüne) bei der Eröffnung. „Auch rund 80 Jahre später dürfen wir nie vergessen, welche unfassbaren Taten von Nationalsozialisten verübt wurden. Wir dürfen aber auch die mutigen Widerstandskämpfer*innen nicht vergessen. Sie ermutigen uns für die heutige Zeit, wenn es darum geht, gegen Hass, Hetze, Ausgrenzung und Rassismus aufzustehen.“

Das temporäre Kunstprojekt von Kathi Hofer wird in Kooperation mit dem „Fonds für Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum“ des Landes Salzburg durchgeführt. Kathi Hofer ging als Siegerin aus einem 2022 durchgeführten künstlerischen Wettbewerb hervor, über den eine unabhängige Jury entschied.

 

Kurzbio Agnes Primocic

Die dreifache Mutter Agnes Primocic engagierte sich im Austrofaschismus und Nationalsozialismus für die Rote Hilfe, eine im Untergrund agierende Hilfsorganisation für die Familien von politisch verfolgten Linken. Sie wurde deswegen von der Gestapo inhaftiert und mehrfach verhört. Doch sie kam wieder frei, weil sie von ihren Mitstreiter*innen nicht verraten wurde. 1943 verhalf sie dem internierten späteren Organisator der Partisanengruppe Willy-Fred, Sepp Plieseis, zur Flucht aus einem Nebenlager des KZ Dachau, das sich außerhalb von Hallein befand.

Vor Kriegsende im April 1945 rettete Primocic todesmutig weitere 17 mit dem Tod bedrohte KZ-Häftlinge in Hallein. In einer Rotkreuzuniform suchte die Arbeiterin den Kommandanten des Lagers auf, um ihn zur Freilassung der Häftlinge zu bewegen. Nach dem Zweiten Weltkrieg saß Primocic für die KPÖ im Halleiner Gemeinderat, als Pensionistin besuchte sie Schulklassen, um die Erinnerung an die NS-Zeit wach zu halten. Die Halleinerin wurde 102 Jahre alt und verstarb im April 2007. „Als Zeitzeugin prägte sie mehrere Generationen von Heranwachsenden. Uns war und ist es wichtig, sich mit der Biographie dieser außergewöhnlichen Widerstandskämpferin zu befassen. Wir können in unserer Gegenwart von ihren Erfahrungen profitieren“, betont der Historiker Albert Lichtblau vom Projektteam.  

Termine weiterer Veranstaltungen in Hallein:

Homosexualität und Nationalsozialismus,
Mi, 28.06.2023 um 18:30 Uhr, Keltenmuseum Hallein, Pflegerplatz 5, Hallein

Führung und Workshop „Die Akte Gruber“
Sa, 15.07.2023, Sa, 12.08.2023 und Sa, 02.12.2023 um 10:00 Uhr, Keltenmuseum Hallein, Pflegerplatz 5, Hallein

Vortrag Dachau und seine Außenlager
Do, 02.10.2023 um 19:00 Uhr, Keltenmuseum Hallein, Pflegerplatz 5, Hallein, 17:00 Uhr Vorstellung zwei Hörspaziergänge

Vortrag Hallein unterm Hakenkreuz mit Wolfgang Wintersteller
Do, 19.10.2023 um 18:00, Kolpinghaus Hallein, Schöndorferplatz 3, Hallein

Filmabend Agnes Primocic
Mi, 15.11.2023, Keltenmuseum Hallein, Pflegerplatz 5, Hallein

 

Bilder:

Bilder: Künstlerin Kathi Hofer mit dem roten Auto, das als mobile Landmarke auf wichtige Orte des Gedenkens verweist. (Fotocredit: Orte des Gedenkens)

Rückfragehinweis:

Stefanie Ruep, Pressekoordination Orte des Gedenkens
office@ortedesgedenkens.at 
Tel: +43650/8312976

 

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