Vierter Ort des Gedenkens in Saalfelden eröffnet

Das Kunstprojekt „Der kürzeste Weg“ von Rosa Andraschek und Simon Nagy holt die Erinnerungen des ehemaligen Bürgermeister Karl Reinthaler zurück nach Saalfelden. Die Stadt wird ein Jahr lang zum Erinnerungsort an den Widerstand der Eisenbahner.

Saalfelden ist die vierte Gemeinde, in der am Samstagnachmittag ein Ort des Gedenkens eröffnet worden ist. Im Auftrag des Landes Salzburg errichtet die Arbeitsgemeinschaft „Orte des Gedenkens“ in jedem politischen Bezirk einen temporären Erinnerungsort an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Das Kunstprojekt „Der kürzeste Weg“ von Rosa Andraschek und Simon Nagy rückt ausgehend von der Biografie von Karl Reinthaler den Widerstand der Eisenbahner in den Mittelpunkt. Rund 80 Menschen kamen zur feierlichen Eröffnung und begleiteten das Künstlerduo auf einem Rundgang durch Saalfelden.

Der Wagenmeister und Lokführer wurde von der Wirtin des Bahnhofsrestaurants denunziert und 1942 von der Gestapo verhaftet. Zum Verhängnis wurden Reinthaler unteranderem Spenden an die Rote Hilfe, eine im Untergrund agierende Hilfsorganisation für die Familien von politisch Verfolgten und Inhaftierten. Er wollte mit dem Geld eine Kioskbetreiberin unterstützten, die ihren Laden schließen musste nachdem ihre Söhne verhaftet worden waren.

Nach der Verurteilung wurde Karl Reinthaler im Zuchthaus Amberg inhaftiert, in dem er Zwangsarbeit verrichten musste. Dass er als Werkzeugmacher schließlich bei einer Zweigniederlassung der Firma Zeiss arbeiten konnte, rettete ihm das Leben, meinte er später. Nachdem Salzburg vor 80 Jahren, im Mai 1945, von der NS-Herrschaft befreit wurde, zog Reinthaler für die SPÖ als Abgeordneter in den Landtag ein. Die Folgen der Inhaftierung machten ihn weitgehend arbeitsunfähig und behinderten auch seine politische Karriere.  Zwischen 1972 und 1979 war er dennoch Bürgermeister von Saalfelden. Er engagierte sich später als Zeitzeuge an Schulen.

Stimme Reinthalers im öffentlichen Raum

Der Titel „Der kürzeste Weg“ ist ein Zitat des Lokführers. Das Kunstprojekt von Rosa Andraschek und Simon Nagy holt die erzählten Erinnerungen des ehemaligen Bürgermeisters zurück in die Stadt Saalfelden. Denn seine Stimme hält für ein Jahr Einzug im öffentlichen Raum: Fünf Audio-Stationen spielen kurze Auszüge aus einem Gespräch mit ihm ab. In ihnen berichtet er über seinen Alltagswiderstand, über die Unterstützung antifaschistischer Organisationen, seine Denunziation und seine darauffolgende Verhaftung durch die Gestapo.

Sobald der Bewegungsmelder einer Station ausgelöst wird, erklingt Reinthalers Erzählung. Sie wird abgespielt, solange jemand vor ihr steht. Beim nächsten Auslösen wird sie an genau der Stelle fortgesetzt, an der sie zuvor endete. Die Hörenden reichen einander auf diese Art die erzählte Erinnerung weiter.

Eine sechste Audio-Station im Urslaupark spielt ein Musikstück des Bassisten Lukas Kranzelbinder ab. Diese Station  erinnert an die zehn weiteren Widerstandskämpfer aus Saalfelden, darunter vor allem Eisenbahner, die 1942 gemeinsam mit Reinthaler verhaftet wurden oder später in Zusammenhang mit der Gruppe in Haft kamen. Von ihnen ist keine gesprochene Erinnerung erhalten.

Die Eisenbahner Stadtkapelle Saaalfelden hat die feierliche Eröffnung am 10. Mai im Urslaupark umrahmt. Im Anschluss führten die beiden Künstler:innen bei einem Rundgang zu den Audio-Stationen in die Konzeption und Gestaltung ihrer künstlerischen Intervention ein.

Projekt mit drei Säulen

Geleitet wird das Projekt von der Arbeitsgemeinschaft „Orte des Gedenkens“, der die Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder und die Historiker Albert Lichtblau und Robert Obermair angehören. Das Projektteam arbeitet in Saalfelden eng mit dem Museum Schloss Ritzen, dem Bildungszentrum Saalfelden, dem Kunsthaus Nexus und der Stadtgemeinde Saalfelden zusammen. Das temporäre Kunstprojekt von Rosa Andraschek und Simon Nagy wird in Kooperation mit dem „Fonds für Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum“ des Landes Salzburg durchgeführt. Rosa Andraschek und Simon Nagy gewannen den künstlerischen Wettbewerb, über den eine unabhängige Jury entschied.

Das Konzept des Projekts „Orte des Gedenkens“ beruht auf drei Säulen: historische Aufarbeitung, künstlerische Intervention und Vermittlungsarbeit. Im Zuge des Vermittlungsprogramms werden nach der Eröffnung über ein Jahr lang Diskussionsabende, Vorträge und Workshops in Saalfelden veranstaltet. Im Gymnasium Saalfelden findet zudem ein einjähriges Schulprojekt statt. Dabei setzen sich Schüler:innen der 7. Klasse intensiv mit lokalen Biografien von Widerständigen gegen das NS-Regime bzw. Opfern der Nationalsozialisten auseinander. Am Ende des Projekts sollen die ersten Stolpersteine in Saalfelden verlegt werden.

Der Arbeitsgemeinschaft „Orte des Gedenkens“ ist es wichtig, in der Zusammenschau der Projektrealisierungen in den jeweiligen politischen Bezirken Salzburgs unterschiedliche Aspekte des Widerstands zu thematisieren. Nach dem christlich-sozialen Georg Rinnerthaler in Neumarkt am Wallersee, dem kommunistischen Widerstand von Agnes Primocic in Hallein und dem Unterstützungswiderstand in St. Johann wird nun der Widerstand der Eisenbahner thematisiert.

Wie für jeden Gedenkort wurde auch für Saalfelden eine umfassende und reich bebilderte Broschüre erstellt, die zur freien Entnahme bei den Kooperationspartner aufliegt. Diese umfasst ausführliche Text zu „Saalfelden im Nationalsozialismus“ von Andrea Dillinger, zu „Karl Reinthaler und dem Widerstand der Eisenbahner“ von Albert Lichtblau und Robert Obermair und von Hildegard Fraueneder zur künstlerischen Intervention von Rosa Andraschek und Simon Nagy und zu künstlerischen Gestaltungen in Saalfelden im Kontext von Gedenken und Erinnern. Ein Überblick zu den geplanten Veranstaltungen von Mai 2025 bis Mai 2026 und ein kurzer Text zum Schulprojekt runden das Heft ab.

Bilder: (Fotocredit: Orte des Gedenkens)

Bild 1: Hörstation an der Promenade

Bild 2 Künstlerduo und Projektgruppe beim Rundgang an der Hörstation an der Promenade.

Bild 3: Rundgang mit den Künstlerduo am Gasthaus Brückenwirt bei einer Hörstation.

Bild 4: Hörstation im Urslau Park

Bild 5: Die Historiker Robert Obermair, Albert Lichtblau und Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder (v.l.n.r.) bei der Eröffnung in Saalfelden.

 

Rückfragehinweis:

Stefanie Ruep, Pressekoordination Orte des Gedenkens
office@ortedesgedenkens.at 
Tel: +43650/8312976