St. Johann im Pongau

Das Fresko von Suitbert Lobisser an der Annakapelle

Das monumentale Wandgemälde Heimkehr zweier Soldaten an der Annakapelle wurde zum Erntedankfest am 12. Oktober 1941 feierlich enthüllt. Beinahe unverändert ziert es seit damals die ansonst kahle Nordwand der unter Denkmalschutz stehenden Kapelle. Dass dieses Wandgemälde ein antikatholisches NS-Propagandabild darstellt, ist kaum bekannt. Das Fresko hat Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder zu Recherchen herausgefordert. Bisher gab es keine kritische Aufarbeitung und der NS-Hintergrund des Künstlers wurde nicht thematisiert. Ausgehend von Fraueneders Recherchen hat die Künstlerin Tatiana Lecomte vorgeschlagen, eine Texttafel anzubringen, die das Fresko kontextualisiert.

Der Künstler des Freskos Leo Lobisser hat der als Benediktinermönch des Stiftes St. Paul im Lavanttal den Namen Suitbert angenommen. Nach seiner Priesterweihe studierte er an der Kunstakademie in Wien und unterrichtete ab 1908 Bildnerische Erziehung am Stiftsgymnasium St. Paul. Er fühlte sich stets dem ländlichen Leben verbunden, und so ist es nicht verwunderlich, dass seit seinen frühen Holzschnitten und Gemälden die „einfachen“ Menschen am Land als Idealbilder auftauchen.

Aufträge von namhaften „illegalen“ Nationalsozialisten

Lobisser wurde ab Mitte der 1930er Jahre durch Ankäufe und Aufträge von namhaften „illegalen“ Nationalsozialisten gefördert, darunter Friedrich Rainer, der spätere Gauleiter von Salzburg. Rainer verfasste auch das Vorwort für die 1941 erschienene autobiografische Schrift Das Lobisser Buch. Darin äußert sich Rainer zur „Kampfzeit der Ostmark“, für die er die Kunstwerke von Lobisser als „Ausdruck eines Bekenntnisses zu Adolf Hitler“ wertet und ihn als „Idealgestalt des deutschen Künstlers“ sowie einen „Kampfgeführten und Kameraden“ bezeichnet.

Rainer erteilte ihm 1939 auch den Auftrag für die monumentalen Wandgemälde in Lamprechtshausen und ein weiteres Fresko in Salzburg Aigen mit dem Titel „Mutter“ erteilte. Lobisser wurde im August 1941 zusammen mit anderen gefeierten NS-Künstlern wie Josef Thorak und Paul Mathias Padua, Karl Heinrich Waggerl und Richard Billinger im Rahmen der Salzburger Festspiele vom Gauleiter zu einem mehrtägigen Aufenthalt im Schloss Leopoldskron, dem so genannten Salzburger Künstlertreffen, eingeladen.

Auch der im Spital von St. Johann im Pongau wirkende Primar Dr. Ludwig Fronz war ein Förderer Lobissers. Fronz war bereits 1932 der NSDAP beigetreten und wurde im März 1938 zum Kreisärzteführer und ab 1940 zum SS-Sturmbannführer ernannt. Käufer und Auftraggeber von Lobisser waren außerdem Reichsinnenminister Wilhelm Frick, Propagandaminister Joseph Goebbels, Reichspostminister Karl Wilhelm Ohnesorge und Reichsminister Rudolf Heß.

Wandgemälde auf der Annakapelle

Im Sommer 1941 hatte sich die Zusammensetzung des Gemeindetages geändert und der treue Förderer und Unterstützer Lobissers, Primar Fronz, wurde mit den Kulturagenden betraut. Ein Beitrag im Salzburger Volksblatt bestätigt indirekt die Auftragsvergabe seitens der Gemeinde mit dem Hinweis: „Die Gemeinde hat mit dem Auftrage zu diesem Kunstwerk mitten im Kriege eine wertvolle Kulturtat vollbracht.“ 

Im Salzburger Volksblatt hieß es 1941: „Das große prächtige Fries an der bis dahin kahlen Nordwand der Annakapelle […] stellt die Heimkehr zweier Soldaten dar, denen Jugend und Erwachsene beiderlei Geschlechts in Pongauer Tracht entgegenjubeln und entgegengehen. In der Mitte der gesamten Gruppe als ruhender Pol sitzt die deutsche Mutter. Im Hintergrund der buntfarbigen Gestalten zeichnet sich die Pongauer Landschaft ab.“

Das Wandbild zeigt im linken Zentrum die Frau als Hüterin des Nachwuchses, der weitere Mädchen zugeordnet sind, die angeleitet werden, künftig die Mutterrolle zu übernehmen, während die Burschen mit Arbeitswerkzeug ausgestattet die Versorgerrolle zu übernehmen haben werden, ganz im Sinne der NS-Ideologie. Das Motiv „Heimkehr von Soldaten“ finden
wir bei den Arbeiten von Lobisser 1941 sehr häufig.  

Für die Propaganda des „Deutschen Reiches“ eigneten sich Heimkehrdarstellungen, um Kriegserlebnisse heroisch zu übersteigern und den völkischen Wahn im unversehrten „arischen Körper“ Ausdruck zu verleihen – ein kriegsversehrter Körper findet sich hingegen kaum in der NS-Kunst. Typisch für viele Wandgemälde und Holzschnitte Lobissers sind die Idealisierung der regionalen Landbevölkerung und intakte Naturlandschaften. Lobisser hegte auch ein ausgeprägtes Faible für Trachten – von ihm stammt auch das sogenannte „Lobisser Dirndl“, eine Neuinterpretation einer Tracht aus dem Lavanttal.