Zweiter Ort des Gedenkens wird am 13. Mai in Hallein eröffnet

Kunstprojekt von Kathi Hofer „Unterwegs mit Agnes Primocic“ mit Hörspaziergängen und einem Auto als Landmarke. Hallein wird ein Jahr lang zum Erinnerungsraum an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus.

Die Stadt Hallein ist die zweite Gemeinde, in der am 13. Mai um 10 Uhr am Schöndorferplatz ein Ort des Gedenkens eröffnet wird. Im Auftrag des Landes Salzburg errichtet die Arbeitsgemeinschaft „Orte des Gedenkens“ in jedem politischen Bezirk einen temporären Erinnerungsort an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Das Kunstprojekt „Unterwegs mit Agnes Primocic“  der Salzburger Künstlerin Kathi Hofer nimmt das Leben und die Wege der kommunistischen Widerstandskämpferin in den Fokus. Ein künstlerisch gestaltetes Auto für Agnes Primocic wird als mobile Landmarke auf relevante Orte des Gedenkens hinweisen. Hörspaziergänge führen auf den Spuren der aktiven Zeitzeugin durch Hallein. Mit dem Kunstprojekt setzt sich Kathi Hofer mit der Mobilität einer Frau auseinander, die immer in Bewegung war.

Die dreifache Mutter Agnes Primocic engagierte sich im Austrofaschismus und Nationalsozialismus für die Rote Hilfe, eine im Untergrund agierende Hilfsorganisation für die Familien von politisch verfolgten Linken. Sie wurde deswegen von der Gestapo inhaftiert und mehrfach verhört. Doch sie kam wieder frei, weil sie von ihren Mitstreiter*innen nicht verraten wurde. 1943 verhalf sie dem internierten späteren Organisator der Partisanengruppe Willy-Fred, Sepp Plieseis, zur Flucht aus einem Nebenlager des KZ Dachau, das sich außerhalb von Hallein befand.

17 KZ-Häftlinge befreit

Vor Kriegsende im April 1945 rettete Primocic todesmutig weitere 17 mit dem Tod bedrohte KZ-Häftlinge in Hallein. In einer Rotkreuzuniform suchte die Arbeiterin den Kommandanten des Lagers auf, um ihn zur Freilassung der Häftlinge zu bewegen. Nach dem Zweiten Weltkrieg saß Primocic für die KPÖ im Halleiner Gemeinderat, als Pensionistin besuchte sie Schulklassen, um die Erinnerung an die NS-Zeit wach zu halten. Die Halleinerin wurde 102 Jahre alt und verstarb im April 2007.

Geleitet wird das Projekt von der Arbeitsgemeinschaft „Orte des Gedenkens“, der die Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder und die Historiker Albert Lichtblau und Robert Obermair angehören. Die Arbeitsgemeinschaft arbeitet eng mit dem Keltenmuseum und der Stadt Hallein zusammen. Das temporäre Kunstprojekt von Kathi Hofer wird in Kooperation mit dem „Fonds für Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum“ des Landes Salzburg durchgeführt. Kathi Hofer ging als Siegerin aus einem 2022 durchgeführten künstlerischen Wettbewerb hervor, über den eine unabhängige Jury entschied.

“Es ist wichtig, dass in Salzburg die Orte des Widerstandes sichtbar gemacht werden. Diesmal passiert das in Hallein,” hält Landesrätin Martina Berthold (Grüne) fest. “Auch rund 80 Jahre später dürfen wir nie vergessen, welche unfassbaren Taten von Nationalsozialisten verübt wurden. Wir dürfen aber auch die mutigen Widerstandskämpfer*innen nicht vergessen. Sie ermutigen uns für die heutige Zeit, wenn es darum geht, gegen Hass, Hetze, Ausgrenzung und Rassismus aufzustehen.”

Landesrätin Andrea Klambauer (Neos) ergänzt: „In Hallein wird dem Einsatz von Agnes Primocic eine Würdigung erwiesen.“ Besonders wichtig sie ihr, dass auch Hörspaziergänge durch Hallein umgesetzt wurden, betont Klambauer „Damit wird die Beschäftigung mit ihrem Leben und Wirken den Menschen näher gebracht und eine intensivere Auseinandersetzung ermöglicht. Mit einer Frau, die sich auch nach dem zweiten Weltkrieg für eine friedliche und gerechte Welt aller Menschen eingesetzt hat.“

Das Konzept des Projekts „Orte des Gedenkens“ beruht auf drei Säulen: historische Aufarbeitung, künstlerische Intervention und Vermittlungsarbeit. Im Zuge des Vermittlungsprogramms werden nach der Eröffnung über ein Jahr lang Diskussionsabende, Vorträge und Workshops in Hallein veranstaltet. Inhaltlich befassen sich die Veranstaltungen entlang der Biografie von Agnes Primocic, mit autoritären und totalitären Systemen, mit Widerstand und Zivilcourage. Damit werden unterschiedliche Denk- und Handlungsräume eröffnet und verschiedene Gruppen angesprochen. Zentraler Ausgangspunkt für diese Aktivitäten bilden die historischen Recherchen und Debatten, wie auch die die künstlerische Intervention.

Bei der feierlichen Eröffnung am 13. Mai auf dem Schöndorferplatz in Hallein wird das Projekt vorgestellt. Für die musikalische Umrahmung des Festakts sorgt die Musikerin Michaela Meise mit antifaschistischen Liedern und Chansons. Sie hat auch einen der beiden Hörspaziergänge gestaltet, die bei der Eröffnung vorgestellt werden. Der zweite Hörspaziergang stammt vom Halleiner Historiker Wolfgang Wintersteller.

Erinnerung an das Wirken des Widerstandes erneuern

„Die Zeitzeugin Agnes Primocic war weit über die Ortsgrenzen hinaus bekannt. Sie trat resolut mit viel Überzeugungskraft auf und stellte immer wieder sehr direkte Fragen an die Menschen, die ihr begegneten“, sagt der Historiker Albert Lichtblau. „Viele kannten sie in Hallein noch persönlich, aber für die jüngeren Generationen ist sie lediglich aus Erzählungen bekannt, wenn überhaupt.“ Das Projekt soll dabei helfen, die Erinnerung an sie und das Wirken des Widerstandes in Hallein zu erneuern.

Temporäre Kunstprojekte gehen von einer lebendigen, sich immer wieder überschreibenden Gedenkkultur aus. Jede Generation hat ihre eigenen Fragen an die Vergangenheit. „Künstlerisch gestaltete Erinnerungsprojekte sollen weder belehren noch eine erstarrte Gedenkstätte kreieren, vielmehr zeitliche Bezüge zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft herstellen und zu vielfältigen Erfahrungen anregen“, sagt die Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder. „Mit den Realisierungen können die Erfahrungen von damals in ein kulturelles Gedächtnis der Nachwelt übersetzt und für Zukunftsfragen geöffnet werden.“

Bilder:

Bild 1: Agnes Primocic in einer Sanitäterinnen-Uniform des Roten Kreuzes. (Fotocredit: Privat)

Bild 2: Kathi Hofer ging als Gewinnerin aus dem künstlerischen Wettbewerb hervor, über den eine unabhängige Jury entschied (Fotocredit: Christa Holka)

Rückfragehinweis:

Stefanie Ruep, Pressekoordination Orte des Gedenkens
office@ortedesgedenkens.at 
Tel: +43650/8312976