Künstlerische Erinnerungsprojekte in jedem Bezirk begleitet von historischer Aufarbeitung und Vermittlungsangeboten an Schulen
Zur Erinnerung an die Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer in Salzburg errichtet das Land Salzburg in jedem Bezirk einen Gedenkort. Neben den künstlerisch gestalteten Erinnerungsorten werden die Biografien der Betroffenen und die verschiedenen Formen des Widerstands historisch aufgearbeitet und mit einem Vermittlungsprogramm für Schüler*innen begleitet. Geleitet wird das Projekt von der Arbeitsgemeinschaft „Orte des Gedenkens“, der die Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder und die Historiker Albert Lichtblau und Robert Obermair angehören.
Der erste Erinnerungsort wird in Neumarkt am Wallersee im Salzburger Flachgau entstehen. Er soll an den widerständigen Georg Rinnerthaler erinnern. Der Gasthausbesitzer war schon 1934 zum Ziel von NS-Anschlägen geworden. Er und sein Sohn Johann wurden nach dem „Anschluss“ ein Jahr lang im KZ Dachau interniert.
„Rinnerthaler war schon in der Zeit des Austrofaschismus politisch aktiv. Die Personen, die mit ihm Schwierigkeiten hatten, wollten in der Nazi-Zeit Rache üben. Er hielt dagegen“, erläutert Historiker Albert Lichtblau. Seine Rolle zeige, wie breit gefächert Widerständigkeit war. Rinnerthaler passte nicht in eine Schublade des Widerstands, etwa besonders links, oder katholisch. „Er ist einer jener, die überzeugt waren, dass dieses Regime und die nationalsozialistische Ideologie in seinen Grundsätzen nichts Gutes waren. Von dieser Meinung ließ er sich auch nicht abbringen“, ergänzt der Zeithistoriker Robert Obermair.
Zusammenarbeit mit regionalen Initiativen
Eine der Grundintentionen des Projekts ist, mit Gedenkorten in die Bezirke zu gehen. Da es bereits viele Projekte der Erinnerungskultur geballt in der Stadt gibt. „Es ist alles immer sehr zentriert auf das städtische Leben, aber es gibt wichtige regionale Initiativen. Es ist wichtig sie wahrzunehmen und uns auch gegenseitig zu unterstützen und zu befruchten“, sagt Albert Lichtblau. Die Arbeitsgemeinschaft arbeitet dafür eng mit dem Museum Fronfeste und der Gemeinde Neumarkt zusammen. Auch die folgenden Gedenkorte werden jeweils gemeinsam mit regional verankerten Initiativen angegangen.
Die temporäre künstlerische Gestaltung im Ort soll den Anstoß geben für eine lebendige und anregende Auseinandersetzung mit den Menschen im Widerstand und ihre historische Bedeutung. Acht Künstler*innen wurden zum Wettbewerb für ein Mahnmal in Neumarkt eingeladen, der von der Geschäftsstelle des Fonds zur Förderung von „Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum“ administriert wird. Die eingereichten Konzepte werden von einer fünfköpfigen Jury beurteilt, im Herbst 2021 soll der Sieger gekürt werden. „An erster Stelle steht die künstlerische Qualität in Hinsicht auf eine zeitgemäße Annäherung an Erinnerungskulturen, deren inhaltliche Dimension, Überzeugungskraft und Stimmigkeit“, erklärt die Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder die Bewertungskriterien. In der fünfköpfigen Jury sitzen Künstlerinnen, Historiker, sowie Vertreter des Landes und der betreffenden Gemeinden.
Pädagogisches Begleitprogramm
Die Errichtung des Gedenkortes wird auch von einem Vermittlungsangebot für Schüler begleitet werden. „Im Unterricht findet der Nationalsozialismus oft als etwas Abgekapseltes statt. Viele haben das Bild von Mauthausen, der abgeschiedenen Festung, wo diese Gräuel passiert sind, vor sich. Man kann sich schwer vorstellen, dass auch in kleinen Orten und Gemeinschaften die Auswüchse des Nationalsozialismus sichtbar sind“, sagt Robert Obermair, der auch Koordinator von erinnern.at in Salzburg ist. Die Workshops sollen zeigen, dass auch durchaus in kleinen Gemeinden Menschen andere Menschen ausgegrenzt, angezeigt und angegriffen haben.
Ab Frühling 2022 wird das pädagogische Begleitprogramm starten. Dabei werden die Schüler*innen selbst zu Historiker*innen und werden mit Reproduktionen von historischen Originaldokumenten, Fotografien und einem Zeitzeugen-Interview die Biografie von Rinnerthaler aufarbeiten. Grundsätzliche Fragen zum Thema widerständiges Handeln, aber auch Fragen des individuellen Handlungsspielraums in einem diktatorischen Regime wie dem Nationalsozialismus werden ebenso behandelt.
Rückfragehinweis:
Stefanie Ruep, Pressekoordination Orte des Gedenkens
office@ortedesgedenkens.at
Tel: +43650/8312976
Bild: Georg Rinnerthaler (3. von links) saß mit Leopold Figl (2. Von links), der später Bundeskanzler Österreichs wurde, im KZ Dachau. (Fotocredit: Museum Fronfeste)