Jury kürte Kunstprojekt für zweiten Gedenkort in Hallein

Der Entwurf der gebürtigen Halleiner Künstlerin Kathi Hofer wird realisiert. Ein Auto für Agnes Primocic und Hörspaziergänge auf ihren widerständigen Wegen.

Der künstlerische Wettbewerb für die Gestaltung des zweiten Erinnerungsortes an den Widerstand in Hallein im Rahmen des Projekts „Orte des Gedenkens“ ist abgeschlossen. Die Jury unter dem Vorsitz der Kuratorin und Kunsthistorikerin Hildegund Amanshauser hat sich einstimmig für die Einreichung der Künstlerin Kathi Hofer entschieden und schlägt diese zur Realisierung für das kommende Jahr vor. Der temporär und prozessual gestaltete Erinnerungsort soll an die kommunistische Widerstandskämpferin und aktive Zeitzeugin Agnes Primocic erinnern.

Die dreifache Mutter Agnes Primocic engagierte sich im Austrofschismus und Nationalsozialismus für die Rote Hilfe, eine im Untergrund agierende Hilfsorganisation für die Familien von politisch verfolgten Linken. Sie wurde deswegen von der Gestapo inhaftiert und mehrfach verhört. Da sie von ihren Mitstreitern nicht verpfiffen wurde, kam sie wieder frei und nicht ins KZ. 1943 verhalf sie dem internierten späteren Organisator der Partisanengruppe Willy-Fred, Sepp Plieseis, zur Flucht aus einem Nebenlager des KZ Dachau, das sich außerhalb von Hallein befand. Vor Kriegsende im April 1945 rettete Primocic todesmutig weitere 17 mit dem Tod bedrohte KZ-Häftlinge in Hallein. In einer Rotkreuzuniform suchte die Arbeiterin aus der Halleiner Zigarrenfabrik den Kommandanten des Lagers auf, um ihn zur Freilassung der Häftlinge zu bewegen.

Eine Frau, die immer in Bewegung war

Kathi Hofer hat den Halleiner Tschikweibern bereits 2021 eine Ausstellung im Kunstraum Pro Arte gewidmet. Sie ist mit der Einbindung von Biografien in die künstlerische Arbeit vertraut und setzt sich in ihrer Einreichung „Unterwegs mit Agnes Primocic“ mit der Mobilität einer Frau auseinander, die immer in Bewegung war.

Zum einen soll ein Auto für Agnes Primocic künstlerisch gestaltet werden und als mobile Landmarke auf relevante Gedenkorte hinweisen. Zum anderen werden Hörspaziergänge durch Hallein aufgezeichnet, die angeleitet von Gefährt*innen auf den Spuren der Widerstandskämpferin durch die Stadt führen. Damit soll eine aktive Teilhabe am Gendenken an Primocic initiiert werden und ihre widerständigen Wege quer durch ihre Heimatstadt nachvollziehbar werden. Der zweite Erinnerungsort des Projekts „Orte des Gedenkens“ wird im Mai 2023 in Hallein eröffnet werden.

Fünf Künstler*innen (Catrin Bolt, Kathi Hofer, Ana Hoffner, Thomas Hörl, Esther Strauß) waren zum Wettbewerb für den Gedenkort in Hallein eingeladen worden, der von der Geschäftsstelle des Fonds zur Förderung von „Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum“ administriert wird. Die eingereichten Konzepte wurden von einer fünfköpfigen Jury beurteilt und die Siegerin gekürt. In der Jury saßen Künstler*innen, Historiker, sowie Vertreter*innen des Landes und der Stadt. Von der Projektgruppe wurden zuvor historische Recherchen geleistet und den Wettbewerbsteilnehmer*innen zur Verfügung gestellt.

Dualität des Entwurfs war überzeugend

Eszter Fürjesi vom Kulturbüro Hallein sagt zur Jury-Entscheidung: „Das Projekt von Kathi Hofer war durch die Dualität besonders überzeugend. Einerseits durch das Verwenden von einem sehr auffallend gestalteten Fahrzeug als Synonym für Agnes Primocic, für eine Frau, die nie stillstand. Andererseits durch die Aufarbeitung ihrer Geschichte sowohl von Außenstehenden wie auch in Zusammenarbeit mit Schulklassen in Hallein, um diese dann in Form von Audio-Walks von Interessenten nachverfolgen zu können.“ Der Stadt Hallein sei es wichtig, auf Primocic und ihre Geschichte immer wieder aufmerksam zu machen. „Denn ihre Devise ‚Nicht stillhalten, wenn Unrecht geschieht‘ hat heute mehr Aktualität denn je“, betont Fürjesi.

Temporäre Kunstprojekte gehen von einer lebendigen, sich einer immer wieder erneuernden Gedenkkultur aus. Jede Generation hat ihre eigenen Fragen an die Vergangenheit. „Künstlerisch gestaltete Erinnerungsprojekte sollen weder belehren noch eine erstarrte Gedenkstätte kreieren, vielmehr zeitliche Bezüge zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft herstellen und zu vielfältigen Erfahrungen anregen“, sagt die Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder. „Mit den Realisierungen können die Erfahrungen von damals in ein kulturelles Gedächtnis der Nachwelt übersetzt und für Zukunftsfragen geöffnet werden.“

Der Arbeitsgemeinschaft „Orte des Gedenkens“ ist es wichtig, in der Zusammenschau der sechs Bezirke Salzburgs unterschiedliche Aspekte des Widerstands zu thematisieren. Nach dem christlich-sozialen Georg Rinnerthaler in Neumarkt am Wallersee sollte dem Widerstand der Frauen Rechnung getragen und das für den Widerstand besonders wichtige politische Milieu der Linken bzw. Kommunist*innen berücksichtigt werden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Agnes Primocic weiter politisch vielfältig aktiv und saß für die KPÖ im Halleiner Gemeinderat. Als Pensionistin besuchte die aktive Zeitzeugin Schulklassen, um die Erinnerung wach zu halten. Die Halleinerin wurde 102 Jahre alt und verstarb im April 2007. „Die Zeitzeugin Agnes Primocic war weit über die Ortsgrenzen hinaus bekannt. Sie trat resolut mit viel Überzeugungskraft auf und stellte immer wieder sehr direkte Fragen an die Menschen, die ihr begegneten“, sagt der Historiker Albert Lichtblau.

Das Gesamtprojekt

Zur Erinnerung an die Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer in Salzburg errichtet das Land Salzburg im Lauf von sechs Jahren in jedem politischen Bezirk einen Gedenkort. Das Konzept der Arbeitsgemeinschaft „Orte des Gedenkens“ beruht auf drei Säulen: historische Aufarbeitung, künstlerische Intervention und Vermittlungsarbeit. Zum Vermittlungsprogramm gehören öffentliche Veranstaltungen rund um die Thematik, aber auch in Kooperation mit _erinnern.at_ konzipierte Workshops an Schulen, Bildungsstätten oder mit NGOs bzw. Kulturinitiativen, die sich entlang der für den Gedenkort gewählten Biographie mit autoritären und totalitären Systemen, mit Widerstand und Zivilcourage befassen. Damit werden unterschiedliche Denkräume eröffnet und verschiedene Gruppen angesprochen. Die künstlerische Intervention und die historische Recherche bleiben dabei zentraler Ausgangspunkt für diese Aktivitäten.

Geleitet wird das Projekt von der Arbeitsgemeinschaft „Orte des Gedenkens“, der die Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder und die Historiker Albert Lichtblau und Robert Obermair angehören. Die temporären Kunstprojekte werden in Kooperation mit dem „Fonds für Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum“ des Landes Salzburg durchgeführt. Nach der Eröffnung wird das Thema auch in mehreren Diskussionsabenden, Veranstaltungen und Workshops in der Gemeinde weiter beleuchtet.